Besuch bei Carmen*
Mittwoch vor Ostern 2016
Dies ist wahrscheinlich unser letzter öffentlicher Bericht über Carmen* und Ihre Familie. Danach wird es nur noch die Beziehung zwischen Carmen und ihren Pateneltern Monika und Marcel Gossweiler aus Niederlenz in der Schweiz geben, und die ist ganz privater Natur.
Wenn wir aber heute nochmals einen Bericht veröffentlichen so deshalb, weil es in Carmens Familie grosse Veränderungen gegeben hat. Aber lesen Sie selbst:
Schon als wir bei Carmen und ihrer Familie eintrafen stellten wir fest, dass sich einiges verändert hatte. Carmen sass bei ihrem Vater vor dem Haus und lief auf uns zu. Sie kam uns vor wie Johanna Spyris Heidi. Sie umarmte uns und wir sie ebenfalls auch im Namen ihrer Pateneltern und richteten deren lieben Grüsse aus. Wir trafen eine vollkommen veränderte Familie an. Selbst der Grossvater war ganz offensichtlich aus seiner Lethargie erwacht, war aufgestellt und sehr gesprächig. Tante Daniela* war ebenfalls anwesend und ihr Mann war mit Arbeiten am Haus beschäftigt, die wohl schon lange fällig waren. In Costa Rica wird in der "semana santa" meistens nicht gearbeitet. Stolz zeigte uns "Mamá" Sara das neue Brett für die Anrichte, das ebenfalls ihr Schwiegersohn montiert hatte, nicht ohne es noch mit eingebrannten Blumen verziert zu haben. Doña Sara servierte uns bald selbstgemachte Tamales. Das sind in Bananenblätter eingewickelte Speisen, die sehr aufwendig zu machen sind. Sara stellte sie mit einem feinen Maisteig her, der eigentlich eher wie Teigwaren schmeckte und gab Bohnen, Huhn und Gewürze bei. Es schmeckte hervorragend. Tamales werden sonst eigentlich nur zu Weihnachten gemacht. Ihr Mann offerierte dazu frisch in Öl, Saft von sauren Orangen und Wasser eingelegte Zwiebeln, Chili und Mangostückchen. Das war ein recht scharfes Gemisch und er meinte, nur Mexikaner würden das so lieben wie wir...
Wir übergaben Sara noch eine Einkaufstasche voll Lebensmittel, einen Osterkuchen und etwas Schokolade für die ganze Familie (Osterhasen und Ostereier kennt man in Costa Rica nicht). Und Carmen schenkten wir noch ein Schreibset mit der Adresse der Pateneltern drin und sagten ihr, dass sie sich sehr über einen Brief von ihr freuen würden. Sie sagte freudig zu.
Für uns ist es ein kleines Wunder, was diese Patenschaft mit der ganzen Familie gemacht hat. Wir wussten ja schon von der Schuldirektorin und auch von Daniela, wie Carmen förmlich aufgeblüht ist und haben das ja auch selbst so erlebt. Aber dass die Patenschaft offensichtlich so viel Druck von der Familie nimmt und sich dermassen motivierend auswirkt, hätten wir uns nie vorstellen können. Und dass sich nun auch deutlich sichtbar ihr Vater wieder mehr um sie kümmern würde, war ebenfalls nicht vorhersehbar und eine freudige Überraschung. Die ganze Familie muss unter enormem Druck gestanden und grosse Zukunftsängste gehabt haben. Durch die Patenschaft für Carmen sieht die Zukunft der ganzen Familie besser aus und die ganze Last liegt nicht mehr nur bei Mamá Sara*.
Wenn auch Sie sich für eine Patenschaft interessieren, können Sie sich ganz einfach mittels Kontaktformular für zusätzliche Informationen bei uns melden.
Das Schweizer Ehepaar Monika und Marcel Gossweiler aus Niederlenz haben die Patenschaft für das 10-jährige Mädchen übernommen. Dafür danken wir ihnen von ganzem Herzen auch im Namen des Patenkindes und dessen Familie. Mit dem Einverständnis der Paten und der Grossmutter berichten wir über diese Patenschaft.
Carmen*
Das Mädchen wächst zusammen mit ihrer Halbschwester Valentina* ohne Mutter bei Ihrer Grossmutter auf. Beide haben den gleichen Vater, aber verschiedene Mütter, wobei beide Mütter ihre Töchter im Alter von nur einem Jahr Oma Sara* übergeben haben und dann verduftet sind. Ihr Vater lebt auch da, hat Arbeit, kümmert sich aber überhaupt nicht um seine Töchter.
Für Carmen ist ihre Grossmutter ihre Mutter. Sie nennt sie auch Mamá. Die Grossmutter tut alles für Ihre Enkelin, aber sie kann die Familie kaum ernähren, weil ihre finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
Als wir Carmen erstmals in der Schule besuchten, fanden wir ein sehr freundliches, aber zurückhaltendes Mädchen vor. Ihre Schuhe waren viel zu klein und sie musste die Zehen krümmen, um sie tragen zu können. Ihre Schulutensilien waren zerflettert und zum Teil unbrauchbar. Carmen besuchten wir auch zu Hause. Man sieht es dem kleinen Haus an, dass die Grosseltern einmal bessere Zeiten gesehen haben. Auch ist alles fein säuberlich geputzt, aber spärlich möbliert. Irgend einen Luxusartikel sucht man vergeblich.
Nachdem wir der Familie mitgeteilt hatten, dass Carmen mit einer Patenschaft von Marcel und Monika Gossweiler unterstützen wird, wollte Carmen sofort Fotos von ihnen sehen. Anschliessend übergaben wir der Grossmutter eine grosse Einkaufstasche mit allerlei Lebensmitteln und ein paar Süssigkeiten. Da brach sie in Tränen aus. Romy drückte sie eine ganze Weile an sich, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
Einkaufstour mit Carmen
Bereits am Tag darauf, am Samstag, den 13. Februar 2016, fuhren wir mit Carmen und ihrer Tante Daniela* zum Einkaufen nach Alajuela. Die Schulutensilien und den Schulsack kauften wir in einer der grössten Buchhandlung des Landes. Schon beim Betreten des Geschäftes begannen Carmens Augen zu leuchten. Sie hatte wohl noch nie so etwas gesehen und besass wohl noch nie einen neuen, selbst ausgewählten Schulrucksack. Und jetzt durfte sie sich aussuchen, was ihr gefiel. Es war ein bewegender Moment, als sie sich strahlend für ihr Wunschmodell entschieden hatte. Selbst ihre Tante hatte Tränen in den Augen. Es dauerte, bis alle Utensilien zusammen waren. Aber Carmen Staunen über die Vielfalt und die überwältigende Freude über ihre eigenen Schulsachen - sogar eigene Farbstifte besass sie nun - benötigten halt etwas Zeit.
Wir hatten ja schon geschrieben, dass Carmen viel zu kleine Schuhe besass. Die neuen mussten sage und schreibe drei Nummern grösser sein, damit sie passten. Was muss das Kind in den viel zu kleinen Schuhen gelitten haben! Wir sahen auch, dass Daniela kurz Turnschuhe in die Hände nahm, sie jedoch sofort wieder zurückstellte. Auf unsere Frage, ob Carmen denn auch Turnschuhe benötige, meinte sie: "Ja, schon, aber Sie haben schon so viel Geld ausgegeben...". Es war ja klar, dass das Mädchen auch neue Turnschuhe bekam. Zum Schluss mussten wir noch die Uniform inklusive einer Jacke für kühle Tage kaufen.
Die Mittagszeit war längst vorbei, als wir mit dem Einkauf fertig waren. So luden wir die beiden noch zum Mittagessen ein. Carmen genoss ihre selbst ausgewählten "pollo - pepitas" (Chicken - Nuggets) mit Pommes und das Eis zum Dessert. Daniela liess sich etwa das halbe Menu zum Mitnehmen einpacken (das ist so üblich in Costa Rica). Wir waren uns aber nicht sicher, ob sie genug gegessen hatte oder einfach ihrer Mutter auch noch etwas Feines mitbringen wollte...
Es war ein schöner Tag mit sehr bewegenden Momenten. Jedenfalls danken wir den Paten Monika und Marcel für die Übernahme der Patenschaft nochmals ganz herzlich und hoffen, dass sie Carmen bald persönlich kennen lernen, was sie auch zugesagt haben.
Später waren wir nochmals auf Mini-Einkaufstour mit Carmen, die wiederum von ihrer Tante Daniela begleitet wurde. Eingekauft haben wir ein Lese- und ein Englischbuch. Ja, Carmen besucht nun auch den Englischkurs. Wir holten sie zu Hause ab, wo wir von Ihrer Mamá (Oma) und ihrer Halbschwester Valentina* ganz herzlich wie alte Freunde begrüsst wurden. Oma Sara* ist ein ganz anderer Mensch geworden: Die Bedrückung ist aus ihrem Gesicht verschwunden und wurde durch ein Strahlen ersetzt. Offensichtlich ist diese Patenschaft eine unglaubliche Erleichterung für sie. Auch daran kann man sehen, wie wichtig die Unterstützung von Carmen durch Monika und Marcel ist und was sie bewirkt.
Auch die Direktorin der Schule war begeistert. Sie habe Carmen noch nie so fröhlich und aufgestellt erlebt, sagte sie uns anlässlich einer Besprechung. Es sei eine wahre Freude, wie das Mädchen aufgeblüht sei!
Für die 17-jährige Halbschwester von Carmen, Valentina, versuchen wir nun ebenfalls eine Patenschaft zu finden. Sie wird Ende Jahr das Gymnasium abschliessen und möchte dann an der Uni Tierärztin studieren. Zurzeit sieht es leider aber so aus, dass dies ein Traum bleiben wird, weil einfach das Geld fehlt. Vielleicht lässt sich bis Ende Jahr jemand finden, der diese Patenschaft übernimmt. Wir unsererseits tun alles dafür.
*alle Namen wurden geändert.